
Berthe Morisot (1841 – 1895) ist die bekannteste Künstlerin, die im Schatten ihrer männlichen Kollegen an der Entwicklung des Impressionismus mitgewirkt hat. Ihre großbürgerliche Herkunft ermöglichte es ihr, Kunstunterricht in Zeichnen und Aquarellieren zu nehmen. In den 60er Jahren stellte sowohl sie, als auch ihre Schwester Edna mehrmals in dem konventionell orientierten Pariser Salon aus. Künstler, die hier akzeptiert wurden, durften auch mit finanziellen Erfolgen rechnen. Als Edna 1869 heiratet, hörte sie mit der Malerei auf, obwohl auch ihr hohe künstlerische Fähigkeiten bescheinigt wurden. Ohne ihre Schwester konnte sich Berthe als unverheiratete Frau nicht in der Öffentlichkeit bewegen, so dass nicht mehr im Louvre Bilder kopieren konnte und das Aufsuchen von Motiven sehr eingeschränkt wurde.
Sie freundete sich mit Édouard Manet an, eine Freundschaft, die tief, aber nicht unkompliziert war. Er malte sie mehrmals, allerdings kamen die Modelle der Maler meist aus einer unteren gesellschaftlichen Schicht und hatten ein geringes Ansehen. Sie war bei diesen Sitzungen mit Manet nie allein, so dass ihr guter Ruf gewahrt blieb. Für den Salon von 1870 reichte sie zwei Bilder ein, von denen das eine, die lesende Mutter aufgrund ihrer Unsicherheit und aufgrund ihrer Bitte von Manet korrigiert wurde. Statt aber sich auf den unteren Rand der Kleider zu beschränken an dem er etwas auszusetzen hatte, übermalte er, einmal im Schwung, weite Partien des Gemäldes. Morisot war zu Recht gekränkt.

Bei dem anderen Bild, dem Hafen von Lorient kann man erkennen, dass Morisot eine gelungene Komposition mit überzeugender Perspektive mit einer sowohl lockeren, als auch präzisen Malweise gelungen ist. Die Arbeitsweise, wie sie Manet ausgeübt hat lässt sie damit hinter sich und nähert sich mit den sichtbaren Pinselspuren in gesättigten Farben dem fortschrittlicheren Monet an, auch den Einfluss Renoirs sehen einige in ihren Bildern.

Neben Manet wurde sie auch von anderen Künstlern beeinflusst. Zunächst war sie Schülerin von Camille Corot, später stießen u. a. Henri Fantin-Latour und Edgar Degas dazu. Über sie näherte sie sich dem Impressionismus an. Sie war mit ihren Arbeiten bereits auf der ersten Impressionismus-Ausstellung 1874 vertreten. Künstler, die von der erlauchten Ècole des Beaux-Arts nicht für Ausstellungen der Salons zugelassen wurden hatten schon länger eigene Ausstellungen der Abgelehnten (»Salons des Refusés«) veranstaltet. Alles was an Kunst neu und heute weltbekannt ist, wurde damals in diesen Ausstellungen gezeigt. Berthe Morisot war die einzige Frau auf dieser ersten Ausstellung. Ihre Sujets ergänzten die Motive der Männer um eher weibliche Schwerpunkte, wie Familienszenen und Kinderbilder, ohne allerdings andere Bildgegenstände, wie Landschaften und Interieurs, außer Acht zu lassen. Ein Jahr nach dieser ersten Ausstellung wurden die beiden Bilder für 480 und 320 Francs versteigert, was über Manets Erlösen lag – eine Genugtuung!
Neben den männlichen Impressionisten gab es aber auch weibliche, vielleicht sogar feministische Einflüsse. Die Schweizerin Adèle Colonna widmete sich nicht nur erfolgreich der Bildhauerei, einer typisch männlichen Domaine, sondern beharrte auch auf ihrer Identität als Frau, während frühere Künstlerinnen, wie z.B. George Sand als männliche Charaktere auftraten. Trotzdem begann sie zunächst unter dem Pseudonym „Marcello“. Berthe Morisot bezeichnete Adèle Colonna als ihr wichtigstes Vorbild.

Berthe Morisot wurde als eine der innovativsten weiblichen Künstler des Impressionismus anerkannt und bildet nach der Einschätzung des Kunsthistorikers Henri Focillon, wiedergegeben in dem Online Magazin für Kunst »Art in Words«, zusammen mit Mary Cassatt und Marie Braquemond das Dreigestirn der avantgardistischen Pariser Frauen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Berthe Morisot heiratet Eugène Manet, den Bruder des Malers, lässt sich aber weder dadurch, noch durch die Geburt ihrer Tochter davon abbringen, weiter künstlerisch zu arbeiten. Die Tendenz zu einer Arbeitsweise wie bei Monet und Renoir wurde bereits erwähnt, doch während die Werke der Männer als mutige Grenzüberschreitungen akzeptiert wurden, unterstelle man Berthe Morisot als Frau Unentschlossenheit in der Gestaltung, bis hin zur Unkenntlichkeit, als habe sie ihre Bilder nicht zu Ende gemalt. Heute wird das anders gesehen und trotzdem bleibt sie, wie andere impressionistische Künstlerinnen, immer noch im Grad ihrer Bekanntheit hinter den männlichen Kollegen zurück.

Anders als Berthe Morisot war Eva Gonzalès (1847 – 1883) tatsächlich Schülerin von Manet.

Morisot bat Manet, ihre Freundin zu unterrichten. Ein wenig eifersüchtig schien sie aber doch wegen der jüngeren Künstlerin zu sein, da sie meinte, Manet würde diese loben, während er an ihren Arbeiten ständig etwas auszusetzen hatte. Eva Gonzalès ließ sich bei Ölbildern in ihrem Stil sehr stark von Manet beeinflussen, was z.B. an ihrem bekanntesten Bild, der Hornist unmittelbar deutlich wird.

Wie Manet ist sie daher eigentlich nicht dem Impressionismus zuzurechnen und wie Manet nahm sie auch an keiner der Impressionismus-Ausstellungen teil. Sie bevorzugte den offiziellen Salon, wo sie mit mehr Reputation rechnete. Bekannt ist sie u.a. durch Manets Portrait von ihr vor einer Staffelei, das fast zeitgleich mit dem Portrait der sitzenden Berthe Morisot entstanden ist.

Tatsächlich erregten ihre Bilder Aufmerksamkeit, allerdings eher bei Eingeweihten. Bei der Weltausstellung in Lyon 1872 wird sie lobend erwähnt, diese Erwähnungen waren begehrte Trophäen, die den Marktwert steigerten. Sie nahm mehrmals sowohl am Pariser Salon, als auch am «Salon des Refusés» teil, ebenso 1882 an einer Gruppenausstellung nur für Künstlerinnen des «Cercle de la rue Volney» teil. Die Schriftsteller Émile Zola und Stéphane Mallarmé äußeren sich positiv über ihre Arbeiten.

Mit dem Impressionismus hat sie jedoch die Bildthemen aus dem alltäglichen Leben gemeinsam, wobei sie vorzugsweise Frauen darstellte. Ihre Pastellbilder sind wesentlich heller und strahlen eine Leichtigkeit aus, die schon eher an den Impressionismus erinnert.
Eva Gonzalès verstarb mit 36 Jahren an einer Embolie nach der Geburt ihres Sohnes.

Da die Anzahl der für die Wiedergabe zur Verfügung stehenden Bilder vom Bekanntheitsgrad der Künstler*innen abhängt, freue ich mich hier noch ein Youtube-Video einfügen zu können, dass eine Reihe von Bildern von Eva Gonzalès unkommentiert vorstellt.
Über Marie Bracquemond (1840 – 1916) schreibt Sarah Bochocchio in der amerikanischen Zeitschrift »Art & object«, sie sei „Die wichtigste impressionistische Künstlerin von der sie noch nie gehört haben“. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Künstlerinnen kam sie aus einfachen Verhältnissen und hatte daher keine Möglichkeit für eine künstlerische Ausbildung an entsprechenden Schulen. Geboren wurde sie als Marie Anne Caroline Quivoron-Pasquiou. Für ein frühes Bild, ein Geschenk für ihre Mutter, musste sie noch ihre Farbpigmente aus zerstoßenen Blütenblättern herstellen. Sie bekam ein wenig Unterricht bei einem Restaurator aus ihrem Dorf.

Da sie einiges Talent besaß, reichte sie ein Bild bei einem Salon für Malerei und Skulptur ein und wurde angenommen. Dort traf sie auf Jean-Auguste-Dominique Ingres, bei dem sie ebenfalls Schülerin wurde. Da er aber gegenüber Frauen voreingenommen war und ihnen nur Stillleben und Blumenbilder zutraute, mache sie sich wieder selbstständig, reichte Arbeiten bei einigen Salons ein und stellt im Louvre Kopien her.

Dort traf sie auf Felix Bracquemond, ihren späteren Mann. Er war Grafiker und Porzellanmaler, Marie fertigte Entwürfe für seine Keramiken an. Diese wurden auch ausgestellt und erregten das Interesse von Degas, der sie mit Renoir und Monet bekannt machte. Gauguin ermunterte sie zu einem moderneren Stil, den sie auf Bildern umsetzte, mit denen sie an mehreren Impressionismus-Ausstellungen teilnahm.

Neben dem oben gezeigten Portrait ihrer Schwester, ist »Auf der Terrasse in Sèvres« ihr bekanntestes Bild. Es zeigt sie selbst links, ihre Schwester Louise und den Maler Fantin-Latour.
Waren Marie und Félix zunächst ein Künstlerpaar, das sich gegenseitig befruchtete und gemeinsam arbeitete, missfiel Maries Hinwendung zum Impressionismus ihrem Mann zunehmend. Es mag auch Eifersucht auf ihr künstlerisches Vermögen und auf ihre illustren Kollegen im Spiel gewesen sein, jedenfalls dominierte Félix Marie mit seinen Vorstellungen und Forderungen. Ihr Sohn Pierre beschrieb den Wunsch seiner, Mutter ihre Leidenshaft für die Illusionen der Farben weiter zu verfolgen, während der rechthaberische Vater sie immer mehr von der Welt der Kunst isolierte. Marie Bracquemond resignierte. Zwischen 1881 und 1886 malte sie gar nicht mehr, nur noch wenige Bilder sind danach entstanden, bevor sie die Kunst ganz aufgab.

Ihr Sohn Pierre, auf dem Bild 17jährig, veranstaltete 1891, drei Jahre nach ihrem Tod eine Retrospektive ihrer wenigen Arbeiten, (in der Galerie Bernheim-Jeune), eine Würdigung, die er seinem Vater verwehrte.
Eines ihrer letzten Bilder ist »Unter der Lampe«, auf dem Alfred Sisley mit seiner späteren Frau zu sehen sein sollen, die bei Bracquemonds zu Gast sind. Eine andere Interpretation will Marie Bracquemond und ihren Mann erkennen. Eindeutigkeit besteht jedoch über die meisterliche Umsetzung des Lichtes „unter der Lampe“ in impressionistischer Manier, in einem für den Impressionismus eher seltenen Interieur.

«literaturfrühling 2023»
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Spannend, schön zu lesen, wie aktiv die Malerinnen waren. Ein schöner Fokus um die Kunstgeschichte von einer anderen Perspektive wahrzunehmen.
LG Doro
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