1972 ging ich zum ersten Mal selbständig und aus freien Stücken in eine Ausstellung. Wie genau es dazu kam weiß ich nicht mehr, es hätte auch ein Fußballspiel sein können oder irgendwas anderes, zu dem man sich mit 16 Jahren auf seinen zwei Beinen auf den Weg in die Welt macht. Bei mir war es die Kölner Kunsthalle mit James Rosenquist., dem im Museum Ludwig 2017/18 wieder eine Ausstellung gewidmet wurde.
Damals war ich völlig fasziniert: riesengroße Bilder, teilweise über den ganzen Raum hinweg, manche auf transparenten Folien, in Streifen geschnitten, durch die man gehen konnte. Sehr grelle Farben, Pop-Art eben, mit klaren Formen und Konturen, aber mit Verfremdungen und Dingen, die da eigentlich nicht hingehörten, Eine Art überdimensionaler Pop-Surrealismus.
Ein Beispiel: „F-111“, ein amerikanischer Jagdbomber mit 51 m etwas breiter, als das Originalflugzeug lang ist.

Hm – was das sollte? Bunt, glänzende Oberflächen wie auf Werbeplakaten, eine Kriegsmaschine, für ein Kunstwerk übertrieben groß, ansonsten Konsumartikel? Der amerikanische Traum? Oder das Gegenteil, Trauma?
Später kam für mich durch das Format und die Assoziation des Krieges noch eine Parallele zu Picassos „Guernica“ hinzu. Ob vom Künstler beabsichtigt, oder nicht, ich denke in dieser Tradition steht das Bild. Die Oberflächen haben sich gewandelt, sind aufpoliert worden, der Tod dahinter ist geblieben.
Anders bei Roy Lichtenstein, dessen „Whaam!“ weitaus bombastischer daherkommt, mit 4 Metern auch nicht gerade klein, aber wesentlich bekannter. Hier steht mehr die reine Oberflächlichkeit im Vordergrund, die es ermöglicht einfache Bilder als Comics schnell und in großer Zahl zu reproduzieren. Ein billiges Massenprodukt, das kaum den Blick fesselt, ein Thema der Pop-Art überhaupt. Diese Verarmung des Bildes, denke ich, sollte bei Lichtenstein durch das Verlassen der erwarteten Dimension in den Blick und zurück genommen werden. Ein legitimes Anliegen, aber weniger gehaltvoll und weniger symbolhaft, als bei Rosenquist. Trotzdem, so ganz übergehen wollte ich ihn nicht.

Unter „Expressionismus“ wird sich jeder etwas vorstellen können, kräftige Farbe, nicht ganz so wie in der Pop-Art, aber alles andere als natürlich. Aber eine Skulptur? „Der Engel“ von Ernst Barlach, eigentlich „Der Schwebende“, wird dazu gezählt. Und wenn man bemerkt, dass er das Gesicht von Käthe Kollwitz trägt, das Barlach „so hereingekommen“ ist, wie er sagt, sieht man doch, dass der Ausdruck von Trauer hier das Thema ist. Er hängt nur wenige hundert Meter von der nicht mehr existierenden Kunsthalle entfernt in der Antoniterkirche, mitten in einer lebendigen Einkaufsstraße in einer Oase der Stille. Der Eindruck eines großen metallischen Gewichtes verbindet sich mit dem Gefühl von Schwerelosigkeit. Die Skulptur strahlt eine innere Ruhe aus angesichts der Unvermeidlichkeit, auf die sie sich zuzubewegen scheint.

Das Thema „Krieg“ nur als Metapher berührend, befindet sich der Engel in großer Nähe zu den beiden anderen Werken, besonders zu der Arbeit von Rosenquist. Die zurückhaltende, vereinfachende Formgebung macht diesen Urahn der Trauer um verlorene Leben zu einem immer modern bleibenden Botschafter des Friedens, heute wie gestern.