Expressionismus Teil 2 (Der Blaue Reiter)

Im Gegensatz zu der festen Gruppenstruktur der Brücke war der »Blaue Reiter« keine Künstlervereinigung, sondern eine diffuse Struktur, die um die beiden Initiatoren Franz Marc und Wassily Kandinsky entstanden ist, sowie Künstler, die im Laufe der Zeit mitwirkten und viele, die sich von diesem kreativen Zentrum ausgehend weiter entwickelten. Die Ursprungsidee war ein Almanach, so dass der eigentliche Name »Redaktion Der Blaue Reiter« lautet. Der entsprechende Almanach wurde 1912 durch Franz Marc herausgegeben. Er erhielt je nach Edition Abbildungen, signierte und kolorierte Holzschnitte und originale Werke. Ich denke, der Blaue Reiter war in der Hauptsache eine Idee.

Zur Namensgebung schrieb Kandinsky 1930 „Den Namen »Der Blaue Reiter« erfanden wir am Kaffeetisch […].Beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich – Reiter. So kam der Name von selbst“

Entsprechend zu den Berliner »Secessionen« gab es in München die »Neue Künstlervereinigung München« (N.K.V.M.), mit ebenfalls konservativ gewordenem Charakter, so dass ein Künstler wie Kandinsky sich dadurch eingeschränkt fühlte. Als Mitglied führte er die Regel ein, dass Bilder höchstens 4 m² groß sein dürfen, um selber mit der über 5 m² großen »Komposition V« dagegen zu verstoßen und ausgeschlossen zu werden. Bereits parallel hierzu hatte er in unmittelbarer Nähe der N.K.V.M eine Ausstellung der Redaktion des Blauen Reiters vorbereitet. Das Konzept des Almanachs war, die Vielfalt der modernen Weiterentwicklungen zu bündeln, statt einer starren Gruppenstruktur. Sehr früh sprach sich Kandinsky mit Franz Marc ab, so dass diese beiden den Kern der Bewegung darstellten.

Wassily Kandinsky (1866 – 1944) ist in der Hauptsache bekannt als ein Pionier der abstrakten Kunst. Zwar war das provokante Werk, das den Bruch mit der N.K.V.M. führte, bereits ein abstraktes Werk, aber seine Anfänge lagen in einer typisch expressionistischen Malweise mit kräftigen Farben. Die finden sich auch noch in seinen frühen Bildern mit der Bezeichnung »Komposition«, z.B. in IV und VI, während das letzte Bild dieser Reihe vollständig in die Abstraktion übergegangen ist. »Komposition VIII« gilt als die Beendigung seines Münchener Stils und somit des Expressionismus. Aber soweit wollen wir hier nicht gehen.

Auch Kandinsky durchlief mehrere Stationen in seiner künstlerischen Entwicklung, zunächst im spätimpressionistischen Stil . Als er sich mit seiner Lebensgefährtin Gabriele Münter in Sèvres bei Paris aufhielt, weiß diese zu berichten, dass er die damals modernen Künstler, Picasso oder Matisse, keines Blickes würdigte. In Murnau entwickelten Kandinsky und Münter durch den Einfluss von Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky sich „[…] vom Naturabmalen mehr oder weniger impressionistisch zum Fühlen eines Inhalts, zum Abstrahieren zum Geben eines Extraktes“ (Johannes Eichner). Womit noch einmal mit anderen Worten das Wesen des Expressionismus beschrieben ist.

Die Zusammenarbeit mit Franz Marc und der Anfang des Blauen Reiters wurden bereits erwähnt. Ein Konzert von Arnold Schönberg, dem Entwickler der Zwölftonmusik, veranlasste Kandinsky, die Verwandtschaft dieser Musik mit der neuen Art der Malerei festzustellen. Schönberg war auch Maler und nahm an der ersten Ausstellung des Blauen Reiters teil. Allein hierin sehe ich schon einen Beleg für die obige These, dass der Blaue Reiter als Idee an seiner Peripherie in andere künstlerische Bereiche ausstrahlte, wie ein lebendiger Organismus. Kandinsky selbst wurde beeinflusst u.a. durch Rudolf Steiner, Max Planck und Albert Einstein. Die Anthroposophie Steiners eröffnete ihm die Idee der Synästhesie, also die Wahrnehmung durch andere Sinne, z.B. Farben riechen.

Franz Marc (1880 – 1916) studierte zunächst in München. Schon früh reiste er nach Frankreich, um die Bilder der Museen, besonders des Louvre zu sehen. Danach gab er sein Studium auf. 1907 reiste er wiederum nach Paris, diesmal ließ er sich von den Werken von Van Gogh und Gauguin beeindrucken, die seinen frühen Stil nachhaltig beeinflussten.

Franz Mar, Der Turm der blauen Pferde, 1913, 1945 zerstört. Bild: The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD). Bild via Wikipedia.

Er gehörte, wie Kandinsky der »Neuen Künstlervereinigung München« an, wo er bei Ausstellungen Werken von Braque und Picasso begegnete. Diese Einflüsse verarbeitete er später in seinen eigenen Werken. Zusammen mit Kandinsky gründete er die Redaktionsgemeinschaft des »Blauen Reiters«.

Ab 1905 malte er erste Tierbilder, aber nicht als zoologische Darstellungen, sondern als künstlerischen Ausdruck. Er sprach von eine »Animalisierung der Kunst«, die er auch mit der Form seiner Bilder ausdrücken wollte. In dieser Zeit hatten die Motive noch eine naturalistische Farbgebung. Marc setzte sich mit verschiedenen Farbenlehren auseinander, um schließlich eine eigene zu schaffen. Blau ist für ihn ein männliches Prinzip, Gelb ein weibliches, Rot die Materie. Die Mischungen haben ebenfalls eine eigene Zuschreibung.

Später wendete sich Marc von den natürlichen Farben ab und malt z.B. seine berühmten blauen Pferde. Das Blau sieht er als Wesensfarbe. Diese Farbvariationen, die ihn als Expressionisten auswiesen wurden mit eigenen Formen kombiniert, wobei bei dem Tiger z.B. seine Begegnung mit dem Kubismus erkennbar ist.

Die vielen Tierbilder vermitteln eine große Empathie für diese Lebewesen. Die »Animalisierung« seiner Bilder stellt für Marc die Form für sein Bestreben dar, die Welt mit den Augen der Tiere zu sehen. Die Einheit mit der Natur, die man im Expressionismus häufig als menschliches Ziel sieht, besteht für ihn in der Einheit eines Tieres mit seiner Umwelt. Der »Liegende Hund im Schnee« ist ein deutliches Beispiel hierfür. Marc entfernte sich wieder von dieser romantischen Sichtweise. Bereits als Soldat im Krieg schrieb er an seine Frau:

„ich empfand schon früh den Menschen als ‚häßlich‘; das Tier schien mir schöner, reiner; aber auch an ihm entdeckte ich soviel gefühlswidriges u. häßliches, sodaß meine […] Darstellungen instinktiv immer schematischer, abstrakter wurden„ (Briefe aus dem Feld), S.65)

Den Bedeutungsverlust seiner Sujets brachte Marc in einer stark abstrahierten Formensprache zum Ausdruck, die bei seinem Bild »Tierschicksale«, bei dem er die Gräuel des Krieges vorwegnahm, besonders deutlich wird.

Franz Marc wurde am 4. März 1916 von einem Granatsplitter am Kopf getroffen und verstarb.

Alexej von Jawlensky (ca. 1865 – 1941) war russischer Herkunft, und wirkte dort ebenso, wie in der Schweiz und in Deutschland.

Alexej von Jawlensky: Selbstporträt, 1912, Öserreichische Galerie Belvedere, Wien. Bild: Miguel Calvo Santos, 22-07-2018 (CC).

Er durchlief mehrere Schaffensperioden, die wieder einmal zeigen, dass (s)eine Entwicklung mehrere Stadien durchläuft, beeinflusst von äußeren Umständen, Orten, anderen Künstlern und der eigenen Inspiration. An seiner Biographie fällt auf, dass er sehr früh Unterstützung durch weibliche Lehrer erfuhr. So wurde er nach einem autodidaktischen Anfängen Schüler von Marianne von Werefkin, die bald ihre eigene Künstlerische Arbeit aufgab, um ihren Schüler und späteren Lebensgefährten auszubilden und zu protegieren.

Er ließ sich zunächst vom pointillistischen Stil der Neoimpressionisten beeinflussen, später von der flächigen Darstellungsweise Gauguins, die auch die Grundlage seiner späteren Arbeiten war. Hieraus erwuchs auch sein lehrender Einfluss auf Kandinsky und Gabriele Münter.

Jawlensky arbeitete unter anderem mit einem flächigen, kräftigen Farbauftrag und „realistischen“ Formen, die lange von breiten dunklen Linien umrandet waren, wie in den Bildern des Turandot-Zyklus. Diese Malweise wird auf die von ihm gesammelten japanischen Holzschnittwerke zurückgeführt, die er unter dem Einfluss der Werke Van Goghs entdeckte. In seiner japanischen Phase entstand z.B. das Portrait des Tänzers Alexander Sacharoff von 1909.

In München traf Jawlensky auf Kandinsky und beteiligte sich an der Ausstellung der Redaktion »Blauer Reiter«. Später war er Mitglied der »Blauen Vier«. Jawlensky begann seine Arbeiten an den verschiedenen Phasen von Köpfen, Christusköpfe, mystische Köpfe, konstruktive Köpfe und abstrakte Köpfe. Er bekam in Glkla von Scheyer eine neue Unterstützerin und trennte sich von Marianne von Werefkin, deren Dienstmädchen er heiratete. Er wurde außerdem von weitern »Nothelferinnen« (Alexander Hildebrand) unterstützt, u.a. von Lisa Kümmel.

Hier ein Link als Beispiel für seine sehr späte Phase: Ab 1927 begann seine rheumatische Arthritis, die ihn zunehmend an siner Arbeit hinderte, seine Kopfbilder wurden reduzierter, er führte eine Reihe mit dem Titel Meditationen weiter, die sich zunehmend von realistischen Elementen entfernten, unter dem Einfluss von Alo Altripp, der ihn den „Ikonenmaler des 20. Jahrhunderts“ nannte, auch auf Goldgrund.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexej_von_Jawlensky#/media/Datei:Alexej_von_Jawlensky_-_Meditation,_1934.jpg

Seine Erkrankung führte schließlich zu einer vollständigen Lähmung. Jawlensky verstarb 1941.

August Macke (1887 – 1914) durchlebte dieselbe unruhige Zeit wie die anderen Expressionisten. Bei ihm sah man in seinen Frühwerken den wechselnden Einfluss anderer Künstler deutlicher. Impressionisten und Postimpressionisten begeisterten ihn, er wurde Schüler bei dem deutschen Impressionisten Lovis Corinth.

August Macke, Selbstporträt mit Hut (Paris Oktober 1909), 1909, Ölfarbe auf Holz, Dauerleihgabe aus Privatbesitz, Foto: Reni Hansen. The Yorck Projekt.

Kubistischen Einfluss sieht man auf seinem „Großen Schaufenster“, bei dem er auch mit Bewegungen im Bild experimentierte. Er fand seine wichtigsten Themen, Tiere im Zoo, Spaziergänger im Park und Frauen (vor Schaufenstern). Aus den Kunstrichtungen, die ihm begegneten entnahm er Elemente und fügte sie zu einem eigenen Stil zusammen, vereinfachte aber erkennbare Formen von Gegenständen, bisweilen geometrisch, sowie die Dominanz der Farben über die Formen. Ein Beispiel ist das Bild die „Dame in grünen Kleid“ von 1912.

August Macke, Grosses Helles Schaufenster. 1912, Sprengel Museum, Hannover. Bild: jean louis mazieres, flickr. (CC BY-NC-SA 2.0)

Er schloss sich den »Blauen Reiter« an, allerdings weniger enthusiastisch als die anderen. Der hohe geistige Anspruch der Künstlerkollegen schreckte ihn ab, ebenso die dominante Rolle Kandinskys. ln Bonn gründete er als Gegenpol zu München und Berlin den »Rheinischen Expressionismus« mit Einigen Vertretern, die zuvor schon in der »Sonderbund« Ausstellung in Köln zu sehen waren. In dieser Zeit wuchs sein Bekanntheitsgrad über die Grenzen Deutschlands hinaus.

August Macke, Dame in grüner Jacke, 1913, Wallraff-Richards-Museum, Köln. Bild:
The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM)

Macke unternahm zusammen mit Paul Klee und Louis Moilliet die legendäre Tunisreise, auf der sie die zahlreichen Eindrücke von Licht und Exotik in ihren Bildern verarbeiteten. Diese Bilder in warmen Farben strahlen für mich eine große Harmonie und Ehrfurcht von den Motiven aus.

Macke fiel am 26. September 1922 mit 27 Jahren an der Westfront.

Ich habe in diesm Beitrag mehrere Male auf Informationen auf Wikipedia zurückgegriffen. Die entsprechenden Hinweise (W) wurden von dem Programm unterschiedlich dargestellt, so dass ich sie wieder entfernt habe und nun allgemein anmerke.

  1. vielen dank für den interessanten artikel. ich durfte bei dir wieder etwas lernen. die rheinische künstlerverbindung hatte ich bisher noch nicht nicht wahrgenommen oder darüber überhaupt irgendwo etwas gelesen. danke also dafür. und den mittleren maler, Alexej von Jawlensky, kannte ich bislang nicht. und dass macke so früh gestorben ist, habe ich auch nicht gewusst. ich mag die expressionistischen bilder. das letzte, welches du ausgesucht hast, und das mit dem schaufenster gefallen mir sehr. einen angenehmen abend dir, liebe grüße m.

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