Fauvismus

Während meiner Expressionismus-Blogs dachte ich etwas oberflächlich, der französische Fauvismus wäre einfach das Gegenstück zum deutschen Expressionismus. Beim genaueren Hinsehen, umfasst der Begriff aber relativ komplizierte Strukturen von Schulen, Künstlern und ihren Wegen zum Fauvismus. Entsprechend entwickelten sie sich nach der fauvistischen Periode in unterschiedliche Richtungen weiter, viele arbeiteten allerdings vorher impressionistisch und danach kubistisch. Matisse und Derain bildeten dabei so etwas wie das Zentrum des Fauvismus.

Schließlich ließ sich die Einordnung des Fauvismus präzisieren zu der Aussage, dass der französische Fauvismus in der Tat ein Gegenstück zum deutschen Expressionismus ist.

Die Künstler haben sich nie als Gruppe gesehen, den Namen »Fauvismus« lehnten sie ab, sie sahen nicht ein, warum sie einen Namen brauchen sollten. Sie erhielten ihn zufällig und wie beim Kubismus als eine negative Reaktion auf ihre Werke. Bei der Ausstellung ihrer Bilder 1905 im Herbstsalon in Paris stand in demselben Saal, in dem ihre Bilder ausgestellt waren eine Büste des Bildhauers Albert Marque im florentinischen Stil, was einen Kunstkritiker zu der Äußerung „Schau, Donatello mitten unter wilden Bestien!“ veranlasste. Heute übergeht man die Bestien und benutzt nur den französischen Ausdruck »Fauves«, der auf Deutsch einfach »Wilde« heißt.

Henri Matisse, Luxe, calme et volupté, 1904, Musée d’Orsay, Paris. Bild: Gandalf‘s Gallery, flickr. (CC BY-NC-SA 20

Der Fauvismus war wohl die kürzeste Kunstperiode überhaupt. Es gab eine Vorstufe ab ca. 1904, in der sich die Künstler mit dem Postimpressionismus auseinandersetzten, besonders mit dem Pointillismus von Signac und Seurat. Die frühen Werke folgten dieser Richtung, jedoch unter der Bezeichnung »Divisionismus«, also der Farbtrennung wie bei den Vorbildern, aber eher mit kleinen Strichen als mit Punkten (Points). Der Fauvismus nahm seinen Anfang 1905, als Matisse und Derain in Collioure gemeinsam den Sommer verbrachten. Die Verbreitung fing an mit demselben Herbstsalon 1905, bei dem auch Kandinsky und Jawlensky ausstellten. 1907 wurde der Fauvismus bereits vom Kubismus abgelöst. Die Verbreitung fing an mit demselben Herbstsalon, bei dem auch Kandinsky und Jawlensky ausstellten. 1907 wurde der Fauvismus bereits vom Kubismus abgelöst.

André Derain, Henri Matisse, 1905, Tate Gallery London. (Die beiden Künstler portraitierten sich gegenseitig.) Bild: Bild: Lluís Ribes Mateau, flickr. (CC BY-NC 2.0)

Der bekannteste Vertreter dieser Kunstrichtung ist Henri Matisse (1869-1954), der über den besagten Herbstsalon auch deutschen Künstlern bekannt wurde. Die Künstler des Münchener Expressionismus um den »Blauen Reiter« nahmen eindeutig von Matisse gegebene Impulse auf. Auf diesem Salon, der sich schon vom konservativeren offiziellen Salon abspaltete, wurden die Fauvisten als Provokation empfunden, man sprach von grellen Farbklecksen, die zufällig aneinandergefügt worden sind. (Nicolle im Journal de Rouen, Wikipedia) In der Tat verwendeten die Fauvisten vorzugsweise leuchtende reine Farben, die zu Anfang kaum gemischt wurden. Farben, die sich an der Natur orientierten, wie noch beim Impressionismus, lehnten sie ab. Mit dem kritisierten Aneinanderfügen von Farben, wurde nach Matisse eine harmonische Oberfläche erzeugt, die einen „geistigen Raum“ gestaltet. Der Ausdruck (frz. „Expression“) besteht in der farbigen Oberfläche eines Bildes ohne die Dominanz von Linien, die in der Vergangenheit Strukturen schafften von denen sich der Blick leiten ließ. Die formgebende Linie als Gestaltungsmerkmal wurde mit der Farbe gleichgestellt, oftmals ganz vermieden. In der Abwendung der Farben vom dargestellten Motiv waren sie mit dem Expressionismus verwandt, allerdings waren es die Expressionisten, die sich an dem früheren Fauvismus orientierten. Konturen wurden von den Deutschen als Grenzen von Farbfeldern eingesetzt, die Fauvisten setzten meist Farben nebeneinander, so dass sich eine Begrenzung allein daraus schon ableitet. Dufy arbeitete allerdings anders.

Als erstes fauvistisches Bild gilt »Vue de Saint Tropez« von Matisse, das selbst Wikipedia nur mit einem Link auf Pinterest präsentieren darf.
https://www.pinterest.es/pin/660973682793848682/

Matisse, der Hauptvertreter, war neben anderen Schüler des Symbolisten Gustave Moreau, der die Individualität seiner Schüler förderte und Werke akzeptierte, die seinem eigenen Verständnis nicht entsprachen. „Er war der sicherste Führer und der weiseste Mentor“. (Gotthard Jedlicka)

Die Äußerung mit den »wilden Bestien« wurde weiter verwendet in einer Kritik über Matisses Bild seiner Frau, »Frau mit Hut«. Figur und Hintergrund werden farblich angeglichen, Räumlichkeit wird demonstrativ vermieden, die Farbflächen sollen einen Rhythmus bilden, inspiriert von Cézanne.

Der »Grüne Streifen«, auf dem ebenfalls seine Frau zu sehen ist, hat der irritierende Streifen mitten im Gesicht, die Funktion, die Licht- und Schattenzonen voneinander zu trennen. Die Farbgrenzen ersetzten die Linien, die diese Funktion früher übernahmen. Die Farbflächen werden autonom und gleichwertig.

Ab 1908 widmete sich Matisse einer experimentell genannten Periode, in der unter anderem seine beiden bekanntesten Werke »La Danse I und II« entstanden sind, zu denen sich später noch drei Wandbilder mit gleichem Titel gesellten.

Henri Matisse, La danse I , 1909, Museum of Modern Art, New York. Bild: Paul Brady, flickr. (CC BY-NCND 2.0)

Es folgten noch zahlreiche weitere Perioden, in dene er sich anderen Ausdrucksformen zuwendete und den Fauvismus hinter sich ließ. Die Anzahl seiner bedeutenden fauvistischen Werke übersteigt die spärlichen persönlichen Daten aus dieser Zeit

Henri Matisse, André Derain, 1905, Tate Gallery London, London. Bild: Ujwala Prabhu, flickr. (CC BY-NC-ND 2.0)6241

Neben Matisse war sein Freund André Derain (1889 – 1954) der zweite Wegbereiter des Fauvismus. Über seine Freundschaft mit Maurice de Vlaminck, einem ebenfalls relevanten Vertreter des Fauvismus, lernte er Matisse kennen. In den Gesprächen mit ihm kristallisierte sich seine Entwicklung zu reduzierten Darstellungen heraus, die den Einfluss afrikanischer Kunst erkennen ließen. Ebenso entschied er sich für die Verwendung reiner Grundfarben als “ Herausforderung der Vergangenheit“. Derain war Matisse schon früher beim Kopieren klassizistischer Werke im Louvre begegnet. 1905 war Derain mit Matisse in Collioure, wo sie gemeinsam den später den dann so genannten »Fauvismus« ins Leben riefen.

André Derain Fischerboote, Collioure. 1905, Museum of Modern Art, New York. Bild: Irina Raquel, flickr. (CC BY 2.0)

Ab 1907 hielt er den Kontakt zu Vlaminck und Van Dongen, einem weiteren Fauvisten, befreundete sich mit Picasso und Braque, welcher sich ebenfalls nach seinen impressionistischen Anfängen dem Fauvismus näherte. 1906, im Jahr des Herbstsalons erwirkte Braques Bekanntheit die weitere Verbreitung des »Fauvismus«. Bereits da stieß Braque auch auf die Werke Cézannes, über die er schließlich zum Kubismus fand. Derain durchlief noch mehrere Schaffensperioden bis er sich völlig von seinen avantgardistischen Wurzeln löste.

Maurice de Vlaminck (1876-1958) lernte Derain kennen, als sie nach der Entgleisung eines Zuges gemeinsam zu Fuß zum nächsten Bahnhof gingen. De Vlaminck, der unter anderem Radrennfahrer und Bassist gewesen ist, wurde von Derain zur Malerei geführt und bezog mit ihm zusammen ein Atelier in Chatou. Wie alle Fauvisten benutzte er starke Farben unvermischt aus der Tube. Hauptsächlich malte er Landschaften in dem für Fauvisten typischen Stil.

Maurice de Vlaminck – Landschaft bei Chatou, 1906. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Bild: SEGHIZZI, flickr. (CC BY-NC 2.0

Nach der kurzen fauvistischen Periode entdeckte er Cézanne und ließ sich von ihm beeinflussen, um sich dann dem Impressionismus zuzuwenden. Nach dem ersten Weltkrieg kehrten expressionistische Elemente in seine Arbeiten zurück.

Raoul Dufy (1877 – 1953) wurde nach einem anfänglichen klassischen Kunststudium durch das Bild »Luxe, calme et volupté» von Matisse für den Fauvismus begeistert. Er kam mit Braque und Othon Friesz aus Le Havre und hatte wie die beiden anderen zuvor impressionistisch gearbeitet. Angesichts des fauvistischen Bildes, das noch dem Divisionismus verhaftet war, war er von der Umsetzung von Phantasie in Farbe und Design so überzeugt, dass er den Impressionismus hinter sich ließ.

Raoul Dufy, Plakate in Trouville, 1906, Musée national d’Art moderne, Paris. Bild: Renaud Camus, flickr. (CC BY 2.0)

Bei seinen Bildern sieht man im Vergleich zu Matisse und Derain, die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb des fauvistischen Gedankens. Auch er entwickelte sich nach seiner fauvistischen Zeit weiter und verstärkte den Einsatz von Linien, den er nie ganz aufgegeben hatte, kombiniert mit einer blassseren Palette, oft in Blautönen. 1937 für die Pariser Weltausstellung schuf er das damals größte Wandbild de Welt.

Die Fauvisten waren zwar keine festgefügte Gruppe, allerdings pflegten einzelne den Dialog untereinander. So tauschte sich zum Beispiel Dufy mit Marquet aus, Friesz mit Braque, de Vlaminck mit Derain, Marquet und Matisse, Dufy mit Friesz, usw.

Auch im Fauvismus gibt es noch weitere Künstler, z.B. Albert Marquet (1875 – 1947), nicht zu verwechseln mit Albert Marque, der den Anlass für die Bezeichnung »Wilde« lieferte.

Albert Marquet, Le Havre, 1906, Musée de Bagnos sur Céze, Frankreich. Bild: jean louis mazieres, flickr. (CC BY 2.0)

Kees van Dongen (1877 – 1968) zog nach einem Kunststudium in Rotterdam nach Paris, wo er Picasso kennengelerne, und wohnte mit seiner Frau dann ebenfalls im Bateau-Lavoir. Er schloss sich 1905 der fauvistischen Bewegung an.

Kees van Dongen, Selbstportrait, 1906, Privatsammlung. Bild: cea +, flickr. (CCBY 2.0)
Othon Friesz, Le Bec de l’Aigle, la Ciotat (Adlerschnabel, La Ciotat), 1907, Musée d’Art Moderne de Troyes, Troyes, Frankreich. Bild: Renaud Camus, flickr- (CC BY 2.0)

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