Goya III

Gemälde (2)

Goyas Erkrankung 1792 führte zu einer Zäsur in seinem Werk, die sich vordergründig am deutlichsten in seiner Hinwendung zur Drucktechnik zeigte und inhaltlich in seiner kritischer gewordenen Haltung gegenüber allem, was von den Gedanken der Aufklärung abwich. Adel und Kirche waren die hauptsächlichen Ziele seiner Kritik, auch gegenüber dem Königshaus schreckte er nicht zurück, wie das Familienportrait mit Karl IV. von 1880 zeigt. Es zeigt auch, dass die Malerei zwar inhaltlich kritischer wurde, er sie aber nicht aufgab. Trotz seiner Taubheit wurde er 1795 sogar zum Direktor der Kunstakademie berufen. Goya portraitierte weiter Politiker und Generäle, deren Handlungen und Vorstellungen er ablehnte.

In Cádiz traf er abseits vom Hof aber auf Personen, die der Aufklärung positiv gegenüberstanden und so wurden der Herzog von Alba und seine Frau auf eine Weise, portraitiert, die nicht, wie sonst üblich und erwünscht die Stellung und Kennzeichnung ihrer gesellschaftlichen Rolle zeigten, sondern die Person mit persönlichen Gegenständen. Den Herzog von Alba zum Beispiel malt er in Reitkleidung und leger an ein Stehpult gelehnt, mit einer Partitur in der Hand. Er war begeisterter Reiter und ausgesprochen musikalisch. Er stand in Verbindung mit Haydn und laut Prado soll er eine seiner Partituren auf dem Bild in der Hand halten.

Die beiden Majas entstanden ebenfalls in Cádiz, während der Aufenthalte bei den Albas, was die Vermutungen anheizte, die Herzogin hätte womöglich Modell gestanden. Sie hatte allerdings das Alter die beiden Majas deutlich überschritten, deren jugendliche Aussehen, Godoy wohl gefielen, der die beiden Bilder in Auftrag gab. Der Herzog verstarb kurz nach der Entstehung des Portraits mit knapp 40 Jahren. Von den beiden Portraits, die Goya von der Herzogin malte, zeigt sie dasjenige aus dem Jahr 1797 in Trauer.

Goya malte nicht nur Auftragsarbeiten, sondern schuf auch Werke für seine eigne Sammlung. Die beiden Bilder mit den zwei Namen gehören wohl dazu. Sie wurden als Pendants aufgefasst und erhielten daraufhin die Namen der alten und der jungen Frauen und sie werden auch im Museum in Lille als Ensemble präsentiert. Sie wurden jedoch nicht als Paar konzipiert. Man hat herausgefunden, dass das Bild der alten Frauen etwas kürzer war, als das andere und dass es oben und unten verlängert wurde, um die Bilder gleich groß zu machen, in diesem Zusammenhang entstanden auch die beiden neuen Titel.

Die alten Frauen sind übertrieben grotesk gemalt und entsprechen den drastischen Satiren der Caprichos. Eine hellhäutige Greisin in einem hellen Kleid hält ein Amulett, offensichtlich mit einem Bild, das sie wohl in jüngeren Jahren zeigt in der Hand. Ihre ebenfalls alte, aber dunkelhäutige Dienerin hält ihr einen Spiegel hin, auf dessen Rückseite die Frage steht, „Wie geht es?“. Vordergründig sind die Vergänglichkeit des Lebens, und die Spuren des Alterns dargestellt, für Goya nach seiner Erkrankung und der Taubheit eine nachvollziehbare Vermutung. Hinter den beiden Frauen steht ein Mann mit Flügeln, eine Kombination, die meist als Engel interpretiert wird. Allerdings gibt er sich wenig engelhaft. Er schwingt einen rustikalen Besen und scheint die beiden Alten wegwischen zu wollen. Er wird als Chronos, der Gott der Zeit interpretiert.

Es gibt jedoch ein Detail, das den Zusammenhang erweitert. Den mit Brillanten besetzten Pfeil, den die Greisin in ihrem Haar trägt, tauchte bereits auf einem Portrait Goyas von der spanischen Königin Marie-Louise, der Frau von Karl IV. auf, die bereits auf dem Familienportrait in der dominanten Mitte steht. Das Bild mit dem Pfeil befindet sich im Musée des Beaux Arts de Bilbao. Hier wird also auch kritisch die abgelaufene Zeit eines alten Regimes thematisiert.

Die jungen Frauen stellen ebenfalls das Paar einer herrschaftlichen Frau und ihrer Dienerin dar. Die Frau mit dem Brief ist als einzige deutlich wiedergegeben, die Dienerin und die Wäscherinnen im Hintergrund sind nur verschwommen angedeutet, so dass man sich dort an Degas erinnert fühlt. Die Lesende hat die Faust in die Seite gesteckt und zeigt mit dieser Geste eine ironische Distanz zu dem Gelesenen. Ein kritischer Aspekt wird zurückhaltend dadurch ins Bild gesetzt, dass die Frau der Oberschicht sich formal durch die Malweise deutlich von den Wäscherinnen abhebt, wie auch von der Dienerin und so der deutliche Unterschied der sozialen Klassen thematisiert wird.

Die Grausamkeiten des Napoleonischen Krieges in Spanien hat Goya nicht nur in den drastischen Drucken der »Desastres de la guerra» künstlerisch verarbeitet, sondern in ebenso engagierter Stellungnahme in zwei Gemälden, von denen »Die Erschießung der Aufständischen« das Bekanntere ist.

Francisco de Goya, 2. Mai 1808 in Madrid oder „Der Kampf mit den Mamelucken“, Museo del Prado, Madrid.

Das erste Bild zeigt die Ereignisse vom Vortag der Exekution, die zu dem französischen Rachefeldzug geführt haben. Eine Garde der französischen Armee sollte die Aufständischen auseinandertreiben. Die Spanier hielten die Soldaten für Mauren und wehrten sich. Das Bild heißt »2.Mai 1808 in Madrid«, ist aber eher bekannt unter dem Namen »Der Kampf mit den Mamelucken«. Eine Zentrierung auf einzelne Handlungen, wie bei der Erschießung findet auf diesem Bild nicht statt, um das entstandene Chaos zu verdeutlichen.

Francisco de Goya, 3. Mai in Madrid,  oder „Die Erschießung der Aufständischen“, 1814, Museo del Prado, Madrid.

Die Szene des bekannteren Bildes bezieht sich auf eine Racheaktion der französischen Armee am 3. Mai 1808. Auch hier ist das Datum der ursprüngliche Bildtitel. Jeder bewaffnete Spanier wurde erschossen, insgesamt waren es ca. 400 Tote. In dem Hinterhof, den die Szene zeigt, waren es 45. Die Komposition ist sehr ausdrucksstark angelegt. Die Schützen stehen mit vorgestreckten Gewehren dicht an dicht, wie eine Mauer, direkt vor den Aufständischen. Bei tatsächlichen Erschießungen war der Abstand wesentlichder größer. Goya trägt dieser Tatsache durch seine Darstellung Rechnung, indem er die Soldaten nach vorne gebeugt etwas kleiner wirken lässt, ebenso im Verhältnis zu dem Delinquenten in der Mitte, der ebenso groß ist, der aber kniet. Den Soldaten gegenüber stehen die Aufständischen, von einer Laterne beleuchtet vor einem Hintergrund, der eine Wand darstellen soll. Hell beleuchtet kniet in der Mitte der Opfer ein Mann mit strahlend weißem Hemd und ausgebreiteten Armen, womit Goya eine Kreuzigungsszene heraufbeschwört. Bei genauerem Hinsehen erkennt man auf seiner rechten Hand ein Wundmal der Kreuzigung.

Dieses Bild Goyas ist zu einer Ikone der Anklage kriegerischer Handlungen geworden. Édouard Manet, in dessen Blog bereits einige Bezüge zu Goya festgestellt wurden, hat sich auch dieses Sujets angenommen. Die Übereinstimmungen sind, bei allen Neuerungen der Moderne, offensichtlich. Die Soldaten stehen rechts, die Füsilierten links. Die Gewehre sind aber hier parallel zu der unteren und oberen Kante einer Mauer ausgerichtet, die als Mittelgrund Vorder- und Hintergrund trennt, so dass sie eigentlich an den Todeskandidaten vorbeischießen müssten. Räumlichkeit verliert in der Moderne an Bedeutung.

Édouard Manet, Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko am 19. Juni 1867, 1868/69, Kunsthalle Mannheim. Bild: Fred Romero, flickr. (CC BY 2.0)

Kaiser Maximilian hat Manet seine eigenen Züge gegeben, was gemeinsam mit dem an einen Heiligenschein erinnernden Hut, lediglich anekdotisch ist, während die linke Hand des Kaisers, die der rechten des neben ihm stehenden Generals gereicht ist, Spuren von Blut aufweist. Dies ist eine eindeutige Referenz an Goya, dessen markanteste Person ein Kreuzigungsmal an einer Hand hat. In dieser letzten Version tragen die Soldaten französische Uniformen, die Politik Napoleons dem III. hatte die Voraussetzungen für das Geschehen geschaffen.
Eine Ikone ist Goyas Bild, weil Manet nicht der Einzige war, der diese Darstellung aufgegriffen hat, Picassos Massaker in Korea aus dem Musée Picasso in Paris und die verschollene Arbeit »Straßenkampf« von Otto Dix haben die Struktur der Aufstellungen übernommen.
https://www.museepicassoparis.fr/fr/collection-en-ligne#/artwork/160000000000647?filters=year%3A1950__1951,,tree_domain_all%3APeinture&page=1&layout=grid&sort=by_author
http://weimarart.blogspot.com/2010/06/otto-dix-street-fight.html

Das Bild »Die letzte Kommunion des Heiligen Josef von Calasanz« ist eines der wenigen religiösen Werke Goyas. Es ist wohl bereits in seinem Landhaus entstanden, in das er sich zurückgezogen hatte und in dem er seine »Schwarzen Bilder« als Fresken an die Wände gemalt hat. Auch dieses Bild ist bereits sehr dunkel gehalten. Es wurde für die Kapelle des Heiligen in Auftrag gegeben und Goya berücksichtigte den vorgesehenen Platz bei seinem Werk, um eine gute Sichtbarkeit zu erzielen. Diese Sorgfalt und die Rückerstattung von drei Viertel des Vorschusses verdankt sich wohl der Tatsache, dass Goya in seiner Jugend eine der von Calasanz gegründeten Schulen für Straßenkinder besuchte. Das Bild zeigt den 92jährigen, der knieend die letzte Kommunion vor seinem Tod erhält, von dem der den Greis bereits gezeichnet ist. Durch die dunkle Fläche des oberen Bildteils fällt ein Lichtstrahl auf das Haupt des Heiligen, über dem ein zarten Heiligenschein schwebt. In allen Details und äußerst kunstvoll ist das Gewand des gebeugten Priesters gemalt, der die Kommunion spendet. Dahinter sieht man betende Mönche und rechts eine Gruppe von Kindern. Auch wenn die religiöse Kunst des Goldenen Zeitalters zwischen Renaissance und Barock heraufgeschworen wird, wird hier das Göttliche durch das Menschliche ersetzt, die Hinfälligkeit des alten Mannes, die Nähe des Todes und die anteilnehmende Haltung der Personen im Hintergrund.

Francisco de Goya, Die letzte Kommunion des Heiligen Josef von Calasanz, 1819, Kirche de San Antonio Abad, (Museo Calasancio), Madrid. Bild Escarlati, via Wikimedia.

Ein ebenfalls sehr spätes Bild ist »Das Begräbnis der Sardine«. Damit ist ein spanischer Brauch gemeint, mit dem das Ende des Karnevals und der Beginn der Fastenzeit gefeiert wird. Zwei weiß gekleidete Frauenfiguren mit Maske tanzen mit erhobenen Armen in der vorderen Mitte des Bildes. Sie sind präzise gemalt, während die weiteren Figuren nach hinten immer verschwommener werden. Vor dem Himmel, der trotz blauer Farbe und weißlichen Wolken dunkel erscheint weht eine große dunkle Fahne mit einem grinsenden Gesicht. Links und rechts von den Frauen stehen tanzend ebenfalls dunkle Figuren, die mit der Fahne ein Dreieck bilden, das die Frauen umschließt. Die linke Person hat sich als Teufel verkleidet. Von links unten nähert sich eine Bärenfigur, auch sie ein Symbol für den Teufel.

Francisco de Goya,Das Begräbnis der Sardine, 1814-1819, Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, Madrid. Bild: Lluís Ribes Mateu, flickr. (CC BY-NC 2.0)

Karnevalistisches Treiben war bereits in Goyas letzter Druckserie ein Thema, der Karneval erlaubt unter den Masken ein verstecktes Treiben gegen die Obrigkeit. Allerdings wirkt das Bild durch seine gedeckte Farbigkeit alles andere als fröhlich. Es gibt mehrere Möglichkeiten der Deutung, die alle recht vage bleiben. Die Teufelsfiguren und der Umstand der religiös begründeten Fastenzeit deuten auf eine Auseinandersetzung mit der Religion hin. Interessant ist, dass die im ersten Teil gezeigte Strohpuppe, die unter anderem auch die Sardine symbolisiert, auf diesem Bild fehlt. Spott über eine männliche Figur ist hier also nicht gemeint. Aber auch der Tod könnte eine Rolle gespielt haben denn im Laufe des Jahres 1819, als Goya bereits ein für die damalige Zeit hohes Alter erreicht hatte, erkrankte er schwer. Sein Freund, Dr. Arrieta gelang aber die Heilung. Sein Selbstbildnis mit seinem Arzt wird unten als letztes dieser Goya-Reihe gezeigt.

Nachdem Goya 1815 von der Inquisition freigesprochen wurde, wurde er wieder als Hofmaler eingesetzt. Das absolutistische Machtstreben Ferdinand VII. führte zu weiteren Unruhen in Spanien, Goya zog sich vermutlich deshalb in sein Landhaus zurück und malte seine letzte Serie, die »Schwarzen Bilder« an die Wände des Hauses. Für ein Publikum waren sie nicht bestimmt, es waren düstere, traumatische Bilder in dunklen Farben, deren Hintergrund nie enträtselt werden konnte. Goyas Erkrankung schien sich nicht nur auf das verlorene Gehör zu beziehen, so dass er möglicherweise befürchtete, den Verstand zu verlieren. Diesen Ängsten könnte er mit den schwarzen Bildern, besonders mit dem »Saturn«, Ausdruck verliehen haben.

Francisco de Goya, Zwei alte Männer essen (Suppe), 1820-1823, Museo del Prado, Madrid.

Das bekannteste und zugleich grausamste dieser Bilder stellt Saturn dar, der sein eigenes Kind auffrisst. Saturn hatte in der Mythologie seinen Vater Uranus gestürzt, um an die Macht zu kommen. Ihm wurde aber prophezeit, dass seine Kinder genauso mit ihm verfahren würden, woraufhin er sie nicht nur tötete, sondern nach der Geburt verschlang. Nicht nur der blutende menschliche Torso, dessen rotes Blut die einzige Farbe in dem braun-schwarzen Bild ist, ist ein grausamer Anblick, sondern auch das Gesicht des Saturn mit aufgerissenen Augen und dem offenen Mund, in den er gerade den letzten Arm steckt. Das wirre graue Haar steht vom Kopf ab. Die ganze Figur zeigt auf drastische Weise eine wahnsinnige Kreatur, die Goya vielleicht aus Besorgnis um seinen eigenen Zustand an die Wand seines Esszimmers gemalt hat, wo sich auch das Bild der beiden essenden Männer befindet.

Francisco de Goya, Saturn, 1820-1823, Museo del Prado, Madrid.

Die vierzehn Bilder wurden von dem Restaurator des Prado-Museums auf Leinwand übertragen und dem Museum geschenkt.

1819 erkrankte Goya schwer. Ein Selbstportrait zeigt ihn zusammen mit seinen Arzt Dr. Eugenio Garcia Arrieta, der ihn geheilt hatte.

Francisco de Goya, Selbstportrait mit Doktor Arrieta, 1820, Minneapolis Institute of Art, USA. (CC BY 4.0)

Der liberal eingestellte Goya fürchtete Repressalien von der neuerlichen Stärkung des absolutistischen Ferdinand VII. und wanderte unter dem Vorwand einer Badekur nach Bordeaux aus, wo er 1828 starb.

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