Symbolismus

Jugendstil und Symbolismus haben nicht nur zeitgleich existiert, ca. 1890-1920, sondern ähneln sich auch in vielerlei Hinsicht. Da der Jugendstil in der Malerei nur an wenigen Merkmalen festgemacht werden kann (florale Elemente, fließende Linien, beides nach dem Vorbild der Natur, flächiger Stil, oft geometrischer Aufbau, inhaltlich oft mythologische Gestalten und Frauendarstellungen), die sich überdies noch mit den Kennzeichen des Symbolismus überschneiden, ist es kaum möglich eine klare Grenze zu ziehen. Der Symbolismus wird inhaltlich verbunden mit Mythen, Tod, oft in Verbindung mit Erotik, Sünde und Leidenschaft, aber auch mit den mystischen Aspekten der Religion. Das Gemeinte wird nicht direkt dargestellt, sondern durch Symbole oder Metaphern beschrieben. Gauguin mit seinem flächigen Stil wird einerseits dem Symbolismus zugerechnet, andrerseits aber dem Postimpressionismus. Symbolismus und Jugendstil wandten sich aber nicht nur gegen den Historismus, sondern auch gegen den Impressionismus.

Verwirrend, wie es für mich war, wähle ich einige Künstler aus, deren Zuordnung zum Symbolismus ich für relativ eindeutig halte.

Ferdinand Hodler (1853 – 1918) zum Beispiel wird sowohl dem Jugendstil, als auch dem Symbolismus zugerechnet. Zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit stieß er auf die gleichen, scheinbar zeitgemäßen Widerstände moralisierender Kritiker gegenüber seinen bisweilen freizügigen Darstellungen, wie sie bereits beim Jugendstil beschrieben wurden.

Ferdinand Hodler, Die Nacht, 1889/1890, Kunsthaus Zürich, Schweiz. Bild: Saliko, wikimedia Commons. (CC BY-SA 3.0)

Für beinahe programmatisch halte ich die beiden Bilder »Die Nacht« und »Der Tag«. Auf dem Bild »Die Nacht« von 1899 sieht man mehrere Personen, teilweise schlafend, liegen. Die parallele Anordnung ist im Symbolismus und besonders bei Hodler eine häufiger anzutreffende Kompositionsweise. Auf dem Mann in der Mitte hockt eine schwarz verhüllte Figur, die nur den Tod symbolisieren kann. Der Mann, der Hodler selbst ähnelt, reagiert mit einem panischen Blick und einer deutlich formulierten Abwehrgeste. Das dem Symbolismus zugeschriebene Thema »Tod« kommt hier ebenso zum Tragen, wie Hodlers Lebensgeschichte. Seine Eltern waren der Reihe nach an Tuberkulose (damals Schwindsucht) gestorben. Als er mit seinen vier jüngeren Geschwistern alleine war, starben auch diese an derselben Krankheit.

Auch die anderen männlichen Figuren scheinen Hodlers Antlitz zu tragen, allerdings in jüngeren Jahren. Zwei der drei Frauen liegen schlafend, wie alle übrigen, unterhalb der beiden anderen Figuren. Links liegt Hodlers Geliebte, Auguste Dupin, rechts liegt die unbekleidete Ehefrau Bertha Stucki, mit Sicherheit auch ein Stein des Anstoßes. Eine Notiz Hodlers auf der Rückseite besagt, dass so mancher, der sich abends zur Ruhe legt, morgens nicht mehr aufwacht.

Ferdinand Hodler, Der Tag, 1899/1900, Kunstmuseum Bern. Bild: Martin Bee, flickr. (CC BY-NC-SA 2.0)

»Der Tag« stellt das Gegenstück zu der »Nacht« dar. Hier zeigt Hodler, ebenfalls im großen Querformat fünf sitzende, Frauen, die den Tagesablauf symbolisieren sollen, von links nach rechts, den Sonnenaufgang, den heller werdende Tag bis zum Mittag in der Mitte, über den Abend zur hereinbrechenden Nacht. Alle Frauen sind unbekleidet, jedoch sind die Intimbereiche verdeckt. Die Hände werden zur Mitte hin schrittweise erhoben und dann wieder gesenkt. Die Symmetrie, die in diesem Bild deutlich hervortritt spiegelt Hodlers Orientierung an der Natur, in der vieles symmetrisch aufgebaut ist. Auch Menschen verfügen über eine gewisse Symmetrie ihres Körpers. Zu sehen ist hier die erste Fassung von 1889/1890 aus dem Kunstmuseum Bern. Die kleinen Blumen am Boden und die scheinbar fliegenden Blüten, die die zwei äußeren Frauen umkränzen sind ein weiterer Verweis auf die Natur, die sich bereits in der Hüllenlosigkeit der Frauen zeigt.

Ein ähnlich breitformatiges Bild trägt den Titel »Die Lebensmüden« von 1982 aus der Neuen Pinakothek in München. Lebensmüde ist nicht im heutigen Sinn zu verstehen, sondern beschreibt die fünf gebeugt sitzenden Greise, die des Lebens müde sind. Eine weitere Auseinandersetzung mit Leben und Tod. Auch die zahlreichen Skizzen und Bilder von seiner sterbenden Geliebten Augustine Dupin, mit der er einen Sohn hatte, zeigen in aller Schonungslosigkeit Hodlers Auseinandersetzung mit dem Tod.

Ferdinand Hodler, Die Lebensmüden, 1892, Neue Pinakothek, München. (CC BY_SA 4.0)

Als Gegensatz zu diesem Bild sind zwei andere Arbeiten auffallend, deren Darstellungen förmlich vor Kraft und Leben strotzen. Es ist einmal der Jenenser Student, der mit einer sehr selbstbewussten Geste, in der ich immer Arroganz gesehen habe, seine Jacke anzieht. Dann gibt es noch das Bild des Holzfällers, der mit ausladender Geste seine Axt schwingt. Der Student war Teil eines Wandbildes und wurde später noch einmal als Einzelmotiv gemalt. Von dem Axtschwinger gibt es mehrere Versionen. Das Kunstmuseum schreibt, dass er als Symbol für Stärke, Urtümlichkeit, Widerstandskraft stehr, oder auch für die Schweiz. Seinen Ursprung hatte das Motiv in der Gestaltung einer Briefmarke.

Ferdinand Hodler, Aufbruch der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813, 1908-1909, Aula der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Bild: James Steakley, PD, [OA] nach deutschem Recht.

Ein väterlicher Freund klärte mich darüber auf, dass die Jenenser Studenten, die 1813 gegen Napoleon in den Freiheitskampf zogen, wussten, dass sie diesen Kampf sehr wahrscheinlich nicht überleben werden. Im Nachhinein wurde die Schlacht Völkerschlacht genannt. Vor diesem Hintergrund ist die Geste, mit der der Student seine Jacke überstreift, nachvollziehbar. Das Bild vermittelt durch diese Geste und die Position auf den Zehenspitzen, den Eindruck eines Aufbruchs, was durchaus symbolisch zu verstehen ist. Ein anderes Bild Hodlers von einem Soldaten aus der Stuttgarter Staatsgalerie trägt explizit den Titel »Aufbruch«. Man sieht dort einen breitbeinig stehenden Soldaten von hinten, der gerade seinen Rucksack umschnallt, ebenfalls mit einer ausladenden Geste.

Ferdinand Hodler, Jenenser Student im Aufbruch, 1907-1908, Stuttgarter Staatsgalerie. (CC 0)

Gustave Moreau (1826 – 1898), der hier schon als Lehrer der Fauvisten erwähnt wurde, gilt als der Vater des Symbolismus. Er legte großen Wert auf das Studium der alten Meister, nicht nur für sich, sondern auch für seine Schüler an der École des Beaux-Arts. Als Lehrer war er sehr unkonventionell und liberal, unterstützte seine Schüler in all ihren Bemühungen, selbst wenn sie nicht nach seiner Art waren. Die innovativen Künstler hatten in ihm den idealen Lehrer. Einer seiner Kernsätze war »Man muss die Farbe denken«, ohne eine Vorstellung von der Farbe zu haben, würde man nur unvollkommen arbeiten Es selbst arbeitete ebenso.

Moreau entwarf ein symbolistisches Manifest, um die neue Kunst vom Ruf der Dekadenz zu befreien. Es ist allerdings schwierig, genau zu sagen, was Symbolismus eigentlich ist. Er beschäftigte sich mit Dingen, die nicht naturwissenschaftlich nachweisbar waren, eher unsichtbare Inhalte, wie Träume, Visionen, vielleicht vieles, was heute esoterisch genannt wird. Engel waren recht beliebt und wurden auch von Moreau häufig ins Bild gesetzt, ebenso wie biblische und mystische Themen. Das Bild unten geht auf die Enthauptung Johannes des Täufers gemäß dem Wunsch Salomes, nach Matthäus 14,1-12 und Markus 6, 14-29 zurück.

Gustave Moreau, die Erscheinung (Salomé und der Kopf Johannes des Täufers), undatiert, Musée Gustave Moreau, Paris. Bild. jean louis mazieres, flickr. (CC BY-NC-SA 2.0)

Arnold Böcklin, (1827 – 1901) wurde in den Beiträgen hier schon mehrfach erwähnt, einmal mit seinen vier Pan-Bildern, sowie mit dem fiedelnden Tod, in den zweiten Teil zum Tod. Die Pan-Bilder gehören zu den mythologischen Themen, denen Böcklin sich gewidmet hat und aufgrund derer er als Symbolist gilt. Er hatte dabei seine Malkunst dermaßen gekonnt eingesetzt, so dass man die Darstellungen real nennen könnte, wären sie nicht mythologisch. Aus diesem Grund sahen die Surrealisten in ihm auch einen Vorläufer. Berühmt ist sein Bild von der Pest, die auf einem Drachen, der seinen tödlichen Hauch ausstößt, durch die Straßen fliegt.

Arnold Böcklin, Die Pest, 1988, Kunstmuseum Basel. Bild: Historia del Arte Ilustración y siglo XIX, flickr. (CC BY-ND 3.0)

Von der »Insel der Seligen« existiert eine ganze Reihe von Versionen, die von 1893 aus der Nationalgalerie in Berlin ist sehr eindrucksvoll, zumal Böcklin über der rechten Grabkammer seine Initialen hinterlassen hat.

Arnold Böcklin, die Toteninsel III, 1883, Nationalgalerie Berlin. (CC BY-NC-SA)

Am meisten überzeugen seine Darstellungen von Wasser, natürlich ebenfalls mit mythischen Figuren, von denen man fast meinen würde, sie seien Staffagen für seine Wasserdarstellungen. Böcklins Stärke lag eindeutig in seinem Bildgedächtnis, dass es ihm erlaubte, jegliche Form exakt wiederzugeben, selbst wenn einen nicht-sichtbaren Ursprung hat, wie seine mythischen Figuren. Nur seine Darstellungen von Händen erscheinen bisweilen etwas nachlässig.

Arnold Böcklin, DasSpiel der Nerëiden, 1889, © Kunstmuseum Basel. Bilddaten gemeinfrei, autorisierter Download.

Böcklin ist bereits öfter in meinen Blog auftaucht, was an seiner Vielseitigkeit liegt. Bekannt war er mir weniger als Symbolist, der er natürlich war, sondern als Teil einer Gruppe, die »Deutschrömer« genannt wurde. Es gab mehrere davon, auch Goethe wird dazu gezählt oder die Nazarener. Ich meine aber jene, die gegen Ende des 19. Jhs. unter dem Einfluss Roms dort arbeiteten und zu denen neben Böcklin auch Anselm Feuerbach und Hans von Marées gehörten. Zu der Zeit, als in Frankreich der Impressionismus erblühte, reflektierten diese Künstler ebenso die unterschwellige Veränderung der Zeit in ihrer Kunst. Allerdings hatten sie mit ihren ganz unterschiedlichen Stilen nicht zu der Geschlossenheit einer Gruppe gefunden, wie die Impressionisten. Ich denke, man könnte sie dezent modern nennen.

Zum Symbolismus wird eine ganze Reihe von Malern genannt, z.B. Lovis Corinth, der unter anderem auch das Salome-Thema bearbeitet, ich sehe ihn aber schwerpunktmäßig als Impressionisten. Alle Einordnungen sind mehr oder weniger vage, nicht zuletzt auch, weil die Künstler sich ständig weiterentwickelt haben. Auch Rodin wird erwähnt, aber er war auch vieles andere. Solche Beispiele gibt es noch mehrere. Ob die weiterhin genannten James Ensor, Edward Burne-Jones (Präraffaelit), Edvard Munch nun dazu gehören oder nicht, soll jeder selber entscheiden.

Max Klinger (1857 – 1920) wird schon mit größerem Recht als Symbolist bezeichnet. Er arbeitete mit mehreren Materialien. Mit Marmor empfand der das Wissen um antike Statuen nach, gemäß dem sie ursprünglich farbig waren und die weiße Farbe durch Abnutzung entstand. Farbunterschiede schuf er auch durch die Kombination verschiedener Materialien, wie bei der Büste seines Models und Partnerin Elsa Asenijeff.

Max Klinger, Elsa Asenijeff (Marmorbüste), ca. 1900, Neue Pinakothrek, München (CC BY-SA 4.0)

Die gemalten Bilder geben größtenteils mythische und christliche Themen wieder. Das frühe Monumentalbild von der Kreuzigung Jesu löste einen Skandal aus. Zunächst wurde Jesus, neben den anderen Gekreuzigten, vollkommen nackt dargestellt. Das widersprach den religiösen Vorstellungen, scheint aber realistisch zu sein, denn zu seinen Füßen wurde und die Kleider gewürfelt. Außerdem ist der Gekreuzigte nicht in der dominanten Mitte des Bildes, sondern auf der rechten Hälfte. In der Bildmitte ist die vor Trauer ohnmächtig werdende Maria Magdalena. Weiter Links steht Maria und hält Blickkontakt mit Jesus. Links ist eine Gruppe mit Zuschauern, von denen einer die Szene skizziert und als getreuer Zeuge die Kreuzigung im Bild festhält. Ich sehe hierin Klingers eigene Position.

Max Klinger, Die Kreuzigung Christi, Max Klinger, Kreuzigung Christi, 1890, Museum der bildenden Künste, Leipzig. Bild: https://www.youtube.com/watch?v=9YskejNAHOQ

Die Bilder Klingers, besonders seine Aktdarstellungen gefielen den Nationalsozialisten wegen der heroischen Ausstrahlung der Figuren. Das führte dazu, dass Klinger nach dem Kriegsende fast vollständig in Vergessenheit geriet. Erst seit der Wiedervereinigung wurde er „wiederentdeckt“ und wird an vielen Orten gezeigt mit Schwerpunkt in den neuen Ländern.

Neben diesen beiden Materialgruppen schuf Klinger ein umfangreiches graphisches Werk, von ihm »Griffelkunst« genannt, das durchweg als symbolistisch bezeichnet werden kann. In mehreren Zyklen, die er jeweils »Opus« nennt, setzt er fast ausschließlich mythologische Themen um. Die Neue Pinakothek veranstaltete 2020 eine Ausstellung zu diesem Themenkomplex, die immer noch im Netz dokumentiert ist. https://www.pinakothek-der-moderne.de/ausstellungen/max-klinger/ Hier ein Beispiel aus der Kunsthalle Kühlungsborn, der »Verfolgte Centaur.«

Max Klinger, Verfolgter Centaur, Opus IV, Blatt III, 1881, Kunsthalle Kühlungsborn. Bild: Carl Guderian, flickr. (CC BY-NC-SA 2.0)

Neben den zahlreichen aus mehr oder weniger triftigen Gründen dem Symbolismus zugerechneten Künstlern ist vielleicht noch Odilon Redon (1840 – 1916) zu nennen. Nach einer, wegen seiner Epilepsie, schwierigen Kindheit ging er recht früh nach Paris, wo er sich langsam, aber sicher einen weit verbreiteten Ruf verschaffte. Die französischen Symbolisten gründeten ihre Arbeiten auf den Schriftstellern, die den Symbolismus beeinflusst haben. Baudelaire ist an erster Stelle zu nennen, aber auch Mallarmé und Verlaine gehörten dazu. Flauberts »Die Versuchung des heiligen Antonius« war die Vorlage für zahlreiche Werke Redons.

Redon durchlief eine sogenannte »Schwarze Periode«, bestehend aus Kohlezeichnungen und Lithographien, die sich mit Ängsten und Alpträumen auseinandersetzten, so z.B. ein Ei mit Augen, das möglicherweise für Klaustrophobie steht.

Odilon Redon, Das Ei, 1885, Französische Nationalbibliothek, Paris. Bild: Art is a word, flickr (CC PDM 1,0).

In der darauffolgenden »Farbigen Periode« standen mythologische Themen im Vordergrund.

Odilon Redon, Apollos Kutsche, Datum unbekannt, Metropolitan Museum of Art, New York. (CC 0)

Aufgrund dieser Bilder wurde Redon von den Surrealisten als Vorgänger eingestuft. Seine Arbeiten zeigen aber auch expressionistische Züge, obwohl er zeitgleich mit den Impressionisten arbeitete, deren künstlerische Vorgaben aber nicht seinen Intentionen entsprach.

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