Weiblicher Impressionismus (2)

Mary Cassatt (1844 – 1926) wurde in den USA geboren, kam mit den Eltern in jungen Jahren nach Europa und begeisterte sich schon da für die europäische Kunst. Zurück in Amerika begann sie ein Kunststudium, lebte dann aber ab 1874 in Frankreich.

Edgar Degas, Mary Cassatt, 1884, National Portrait Gallery, Smithsonian Institution; gift of the Morris and Gwendolyn Cafritz Foundation and the Regents‘ Major Acquisitions Fund, Smithsonian Institution, Washington, D.C , USA. (CC0)

Es gelang ihr, einige Arbeiten im Pariser Salon zu platzieren, wo Edgar Degas auf sie aufmerksam wurde. Mit ihm verband sie eine langjährige Freundschaft. Degas brachte ihr den Impressionismus nahe, der ihr mehr zusagte, als die konventionelle Kunst der Salons. Mit dieser neuen Kunstrichtung gelang es ihr, völlig unabhängig zu arbeiten. Sie konnte als einzige weibliche Künstlerin dieser Zeit von ihrer Kunst leben.

Mary Cassatt, Herbst, 1880, Musée des Beaux Arts de la Ville de Paris, Petit Palais. Bild : Jean-Pierre Dalbéra, flickr. (CC BY 2.0)

Bei dem Bild ihrer Schwester mit dem Titel »Herbst« kombiniert sie die deutlich klare Darstellung des Gesichts mit einer impressionistischen Auflösung der anderen Formen in einem Farbteppich.

Dieie anderen impressionistischen Maler ihrer Zeit profitierten von ihr, was ihrer Reputation zugute kam. Über Cassatt gelangten wohl die ersten impressionistischen Bilder nach Amerika, wo sich bald Interessenten fanden. Die ersten dieser Bilder stellten später die Grundlage der Impressionisten-Sammlung des Metropolitan Museums in New York dar.

Mary Cassatt, Little Girl in an Blue Armchair (Junges Mädchen in blauem Lehnstuhl), 1878, National Gallery of Art (Collection of Mr. and Mrs. Paul Mellon), Washington D.C., USA (CC0)

Auch Cassatt wandte sich, wie viele andere Künstlerinen, weiblichen Inhalten zu, malte Frauen in alltäglichen Situationen und Szenen mit Müttern und Kindern. Da sie selbst aus dem gehobenen Bürgertum stammte, fand sie auch hier ihre Motive und Modelle.

Ab Mitte der 80er Jahre entfernte sich Cassatt sowohl vom reinen Impressionismus, als auch künstlerisch von Degas, zu dem sie die Freundschaft jedoch weiter aufrecht erhielt. Sie gestaltete die Farbflächen einheitlicher, wie schon bei dem Gesicht ihrer Schwester in dem Herbstbild oben. Die Figuren wurden geschlossener und präziser.

Mary Cassatt, The Child’s Bath (Das Kinderbad), 1893, Art Institute of Chicago, USA. (CC0)

Japan gab ab 1850 durch innere Einflüsse und amerikanischen Druck seine Isolation auf. Europäische Kunst wurde dort bekannt, besonders groß war aber der Einfluss der östlichen Kunst in Europa. Wir finden Elemente u.a. bei Van Gogh und bei den Expressionisten. Dieser Einfluss trug den Namen „Japonismus“.

Mary Cassatt, The Boating Party (Bootsfahrt), 1893/94, National Gallery of Art  (Chester Dale Collection),Washington D.C., USA. (CC0)

Auch Cassatt griff die Anregungen japanischer Farbholzschnitte aus, wodurch sich die bereits eingeleitete Entwicklung vom impressionistischen Stil der lockeren Formen hin zu klareren Konturen noch einmal verstärkte. Die Farbflächen werden, wie bei Holzschnitten, geschlossener, die sichtbaren Pinselspuren deutlich reduziert und die Kontraste werden stärker. Zu dieser Zeit fertigte sie auch selber Holzschnitte an. Leider kann ich nur einen Link einfügen.
https://www.nga.gov/features/slideshows/mary-cassatt-selected-paintings.html#slide_10

Ab 1900 bekam Cassatt zunehmend Probleme mit ihren Augen. Wichtige Menschen aus ihrem Umfeld verstarben, ihre Schwestersowie Degas. Mary Cassatt erblindete schließlich gänzlich und verstarb 1926 mit 83 Jahren.

Laura Muntz-Lyall, geb. Muntz (1860 – 1930) war eine impressionistische Künstlerin aus Kanada. Während ihres Berufes als Lehrerin studierte sie bei mehreren Lehrern in Kanada, in Kensington in ihrem Geburtsland England und schließlich auch in Paris, wo sie sich intensiv mit den Impressionisten beschäftigte. In Italien besuchte sie die Académie Colarossi, dort hatte sie die Position einer Studienleiterin inne und nahm an Ausstellungen teil, die ihre Reputation steigerten. Beim Pariser Salon von 1895 erhielt sie eine lobende Erwähnung, eine begehrte Auszeichnung.

Laura Mutz. The watcher (Die Wachende), 1894, Privatsammlung. Bild: Virtuelles Museum Kanada, 150 Jahre, 150 Werke. 1 Wiedergaberechte s. Fußnote

Ihre impressionistische Ausrichtung unterscheidet sich trotz gemeinsamer Wurzeln vom Französischen. Das Bild »The Watcher« orientiert sich in der Verteilung von hellen und dunklen Partien am Clair-obscur (Hell-Dunkel-Malerei), wie sie es wohl in Italien bei Caravaggio kennengelernt hat. Die Malweise ist insbesondere bei der dunklen Wachenden und den Übergängen zwischen hellen und dunklen Bereichen impressionistisch.

Erste Verkäufe festigten ihre Position in Europa. Nachdem sie 1898 nach Kanada zurückkehrte, lehrte sie an einer eigenen Kunstschule. Sie erhielt eine bronzene Medaille in Louisiana und eine silberne in Buffalo. Ihre illustre Karriere führte sie zu weiteren nennenswerten Positionen, sie war die einzige kanadische Künstlerin, die außerhalb ihres Mutterlandes bekannt wurde.

Trotz dieser zahlreichen Qualifikationen denke ich, dass sie in Deutschland und möglicherweise in ganz Europa nach ihrer Rückkehr so gut wie unbekannt geblieben ist, ein weiterer Beleg dafür, dass Ruhm in der Kunst von vielen Faktoren abhängig ist, die nichts mit der tatsächlichen Qualität der Werke zu tun haben.

Die Häufigkeit der Darstellungen von Frauen und Kindern bei den Frauen im Impressionismus darf nicht verstanden werden als Verortung der weiblichen Rollen in die ihnen von dominanten Männern zugewiesenen Nischen, meist Haushalt und Kindererziehung. Das Bild mit dem Mädchen und der Narzisse beschreibt die National Gallery als Thematisierung der Vergänglichkeit der Jugend, die der von Blumen ähnlich sei. Die Künstlerin verarbeitet dabei eine eigene Erfahrung. Sie sagte einmal, dass jedes Bild mehr von dem Maler (the painter2), als von dem Modell enthalten sollte.

Die Schwerpunkte auf Themen, bei denen Frauen stärker repräsentiert sind, als Männer werden selbstbewusst als Ausdruck von Kraft und Reife gesehen. Laura Muntz-Lyall vermeidet einen sentimentalen Bezug zwischen Müttern und Kindern, der einer traditionellen Rollenauffassung entsprechen würde und versucht eine Darstellung der mütterlichen Liebe zu ihrem Kind durch verhaltene Warmherzigkeit als moralischer Stärke auszudrücken.

Laura Muntz Lyall, Stillleben, 1900, National Gallery of Canada,Ottawa. Freigabe (nur nicht kommerziell) durch das Museum.

Nach dem Tod ihrer Schwester 1915 kehrte sie nach Toronto zurück, um deren 11 Kinder zu erziehen, von denen einige aber schon älter waren. Sie heiratete ihren Schwager Charles W.B. Lyall. Im Dachboden ihres Hauses richtete sie sich ein Atelier ein, in dem sie ab 1921 wieder arbeitete. Ihre neuen Bilder signierte sie mit ihrem Ehenamen. Bis zu ihrem Tod blieb sie ihrer Kunst treu.

Laura Muntz, eine interessante Geschichte, 1898, Art Gallery of Ontario, Kanada. Bild: orionpozo, flickr. (CC BY 20)
  1. Use of the content is permitted for non-commercial purposes only (study, research and teaching) and the source must be clearly indicated.
  2. Die englischen Ausdrücke beziehen sich neutral auf beide Geschlechter.

Anna Ancher, Selvportræt. Ca. 1878-1879. Skagens Kunstmuseer | Art Museums of Skagen, Dänemark.
(Sämtliche Bilder des Kunstmuseums Skagen sind für nicht kommerzielle Zwecke freigegeben.)

Anna Ancher (1859 – 1935) gehört ebenfalls zu den Kunstschaffenden, die nicht mehr im Fokus der Kunstgeschichte stehen. Allerdings war der, für den Impressionismus nachvollziehbar, auf Frankreich konzentriert. Anna Ancher war Mitglied einer Gruppe der Künstlerkolonie Skagen, deren Maler recht lange im Realismus verharrten und der neueren Entwicklung nicht folgten. Freilichtmalerei und Szenen aus dem Leben ihrer Mitmenschen waren der Schwerpunkt. Anna Ancher aber orientierte sich auch über die Landesgrenzen hinaus, bereiste Europa, entdeckte die Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts für sich und nahm u. a. Unterricht bei Puvis de Chavanes. Besonders ihre Art, Licht auf die Leinwand zu bannen qualifiziert sie als Impressionistische Künstlerin, die z.B. mit Max Liebermann verglichen wird.

Sonnenschein in der blauen Stube (Helga Ancher im Zimmer der Großmutter), 1891, Skagens Kunstmuseer | Art Museums of Skagen, Dänemark.
Anna Ancher, Abendsonne im Atelier der Künstlerin Skagens Kunstmuseer | Art Museums of Skagen, Dänemark.

Auch sie malte Freilichtbilder, wie die Impressionisten und ihre Kollegen aus Skagen und stellte die ländliche Umgebung mit ihrer Bevölkerung dar. Szenen arbeitender Menschen sind einige ihrer Themenkomplexe, die an Millet angelehnt sind, dessen Bilder sie in Paris kennenlernte.

Anna Ancher, Erntearbeiter, 1905, Skagens Kunstmuseer | Art Museums of Skagen, Dänemark.

Auch wenn Anna Ancher bei der Wahl ihrer Themen aus Alltagssituationen, wie Geflügelrupfen oder Schafschur oft in der Tradition von Skagen geblieben ist, ist ihre Umsetzung wesentlich moderner. Ihr Gänserupfbild wurde mit einem frühen Bild von Max Liebermann von 1872 aus der alten Nationalgalerie in Berlin mit dem gleichen Thema verglichen.

Anna Ancher, Weihnachtsgans-Rupfen, 1904, SMK, Dänemarks Nationalgalerie, Kopenhagen. Freigabe durch das Museum.

Anna Ancher war zu ihrer Zeit eine sehr umtriebige und daher auch bekannte Künstlerin. Das Bild mit dem blauen Zimmer von 1891 wurde auf der Weltausstellung 1900 in Paris gezeigt. Dort erhielt es eine Silbermedaille. Auf internationalen Ausstellungen war sie regelmäßig vertreten, beispielsweise in Budapest, München, London und New York. 1904 wurde sie Mitglied der Königlich Dänischen Akademie der schönen Künste.

Als Frau war ihr die traditionelle Stellung von Frauen besonders in der Welt der Kunst durchaus bewusst. Sie war 1916 Gründungsmitglied des Dänischen Künstlerinnenverbandes, bereits 1895 war sie im Komitee für Bildende Kunst bei der »Frauenausstellung von Vergangenheit bis zur Gegenwart«. Wie bei allen bisher angesprochenen Künstlerinnen fand sie ihren Schwerpunkt in der Dartstellung von Frauen und Mädchen in allen Lebenslagen, aber anders als im französischen Impressionismus, vorzugsweise in Innenräumen.

Anna Ancher, Nähende Fischerfrau, 1891, Randers Kunstmuseum, Randers, Dänemark. Bild: Randers Kunstmuseum, flickr. (CC BY-NC 2.0)

Es gibt ein Video, in dem ihre Bilder ohne Kommentar gezeigt werden, das die Bandbreite ihres Schaffens verdeutlicht:

  1. Einzig Mary Cassatt kannte ich. Aber auch nur ein bisschen. Danke fürs nahebringen. Wie immer hast du dir viel Mühe gemacht und meinen Horizont erweitert.

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

%d Bloggern gefällt das: