
John Constable war ein englischer Maler, der von 1776 – 1837 lebte. Er war ein früher Vertreter der englischen Romantik, die, anders als noch in der Zeit von Gainsborough, die Landschaftsmalerei akzeptierte, ihr sogar neben den mystischen Vertretern, wie z.B. Füssli oder William Blake einen bedeutenden Platz einräumte. Obwohl oft ohne dokumentarischen Anspruch stammen die meisten Arbeiten von Constable aus seinem eng umgrenzten Lebensraum in Suffolk und Umgebung, mit klar zuzuordnenden Landschaftsmotiven. Er wollte ein „natürlicher“ Maler werden und bereitete seine Arbeiten mit zahlreichen Skizzen mit Bleistift, Aquarell und auch Öl vor. Letztere auch schon in der Größe des späteren Originals.
Lässt die Romantik ganz allgemein die „Verbildlichung“ von Gefühlen zu, ist diese bei Constable durch seine verschiedenen biographischen Situationen bedingt. So fertige er zum Beispiel 1814 eine Skizze des Highland Castle an der Themsemündung an, als seine Werbung um Maria Bicknell unter einem schlechten Stern stand. 1829, ein Jahr nach dem Tod der schließlich doch geehelichten Frau fertigte er ein großes Ölbild nach der Skizze an. Ich denke, dass daraus ein sehr großes Maß an Melancholie spricht.

Weitaus lebensfroher und mit mehr „Augensalbe“, wie Constable es ausdrückt, kommt das erste Bild mit dem trinkenden Jungen daher, das einen Teil von Constables früheren Schulweg zeigt. Das Bild wurde übrigens trotz der angestrebten und erreichten Gefälligkeit nicht verkauft, aber es wurde nach seinem Tod für die 1824 gegründete National Gallery, damals königliche Kunstsammlung, ausgewählt.
Constable malte zunächst kleinformatige Bilder, die ihm auch die Arbeit im Freien ermöglichten. Um aber in den Ausstellungen der Royal Acadamy aufzufallen, was ihm Anerkennung und Einnahmen verschafft hätte, waren diese Bilder zu klein. Auf Drängen seiner Frau begann er eine Serie großer, sogenannter Sechs Fuß Bilder, wie hier das der Stratford Mühle am Stour, die ihm endlich Anerkennung brachten.

Aus dieser Serie finde ich zwei Bilder bemerkenswert. Einmal das wohl bekannteste Bild „The Hay Wain“ (Der Heuwagen) von 1821 aus der National Gallery, das anlässlich einer Pariser Ausstellung die Bewunderung von Géricault fand. Insbesondere die lebhafte Gestaltung der Wolken fand dann bei den späteren Impressionisten Anerkennung. Seine Farbwahl, beispielweise bei den Bäumen ist wesentlich näher an der Natur als vergleichbare Arbeiten anderer Künstler, die zum Beispiel mit eher bräunlicheren Farbtönen ihren Vorbildern, den niederländischen Künstlern des Barock treu blieben. Der Komplementärkontrast von Rot ist gezielt gesetzt zu dem überwiegenden Grün der Landschaft. Der Pinselauftrag ist in den Details exakt ausgeführt, aber großzügiger bei den Bäumen und dem Wasser, was ebenfalls auf den für jene Zeit modernen Charakter des Bildes hinweist, der keineswegs von allen seiner Zeitgenosssen geschätzt wurde.

Als zweites das untere Bild. Constable fertigte oft große Studien in Öl an, um die wesentliche Konstruktion, sowie das Zusammenspiel der Farben festzulegen. Eine solche Studie aus dem gleichen Jahr findet sich im Viktoria und Albert Museum.
Bei einer Exkursion mit dem Kunstseminar diskutierten wir den Vergleich der beiden Bilder und kamen zu dem Ergebnis, das bereits die Vorstudie nach den Gesichtspunkten der späteren Epochen ein gleichwertiges, auf seine Weise ebenso perfektes Bild ist. Der Grund für seinen Einfluss auf die Impressionisten wird hier deutlich. Ein in jeder Hinsicht modernes Bild, dass so natürlich keinen Anklang beim damaligen Publikum finden konnte.

Gleiches lässt sich über eine weitere Ölskizze sagen, die chronologisch vor der anderen Studie liegt, der Moderne aber noch ein Stück näher rückt.

Bevor Constable mit dieser Serie begann, fuhr er zu seinem Bekannten John Fisher, dem Bischof von Salesbury und fertigte dort einige Skizzen an. Mit seinem Neffen, mit dem gleichen Namen freundete er sich an und hielt sich in den nächsten Jahren immer mal in Salesbury auf, teilweise auch mit seiner Familie. Dabei entstanden einige bekannte Bilder von der dortigen Kathedrale, darunter auch das nächste Bild.

Zum Schluss meines kleinen Besuches bei diesem Künstler möchte ich auf mein Lieblingsthema bei Constable zu sprechen kommen, zu den Wolkenstudien. Als die Familie wegen der bereits einsetzenden Atemschwäche seiner Frau zunächst nach Hampstead zog hatte er einen phantastischen Ausblick auf die Kathedrale St. Pauls und den Himmel. Er führte zahlreiche schnelle Aquarellskizzen von Wolkenformationen aus, um Wolken in den großen Bildern nach seine Vorstellungen darstellen zu können. Das Erfassen dieser amorphen Wolkengebilde, ohne einen Beug zu weiteren Realitätselementen, haben für mich nicht nur einen Bezug zu der wesentlich späteren Abwendung von der Gegenständlichkeit, sondern auch einen starken meditativen Charakter.

Aufauf der Rückseite hat er eine genaue Beschreibung der Wetterverhältnisse notiert. Spätestens dann erkennt man die Ernsthaftigkeit dieser Studien, die leicht und anmutig, bisweilen aber auch gewaltig daherkommen. Gemacht als Vorbereitungen für die verschiedenen Hintergründe seiner Bilder, stellen sie für mich ein eigenständiges Thema seiner Kunst dar. Weitere Beispiele, die ich nun für sich sprechen lassen möchte:



